Minimierung des Pestizideinsatzes

Minimierung des Pestizideinsatzes

Integrierte Schädlingsbekämpfung (ISB): Konzepte, ökologische Perspektiven und Methoden

Schadorganismen in der Landwirtschaft

Schadorganismen wie Insekten, Unkräuter, Pilz- und Bakterienkrankheiten können in der Landwirtschaft zu erheblichen Ertragsverlusten führen. Traditionell wurde dieses Problem durch intensiven chemischen Pestizideinsatz gelöst. Jedoch haben die negativen Auswirkungen von Pestiziden – Umweltverschmutzung, Verlust der biologischen Vielfalt, Risiken für die menschliche Gesundheit und die Entwicklung von Resistenzen – die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Herangehensweise deutlich gemacht. Moderne Ansätze, die sich auf Wissen aus der Natur und langfristige Strategien stützen, haben über Jahrzehnte hinweg die Lösung weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang rückt die Integrierte Schädlingsbekämpfung (IPM/ISB) als System, das Pestizide direkt ersetzen kann, in den Vordergrund. Sie bietet ökologisch basierte und langfristige Lösungen.

Definition und Grundprinzipien der ISB

Integrierte Schädlingsbekämpfung ist eine Strategie, bei der biologische, kulturelle, physikalische, mechanische und chemische Methoden ausgewogen kombiniert werden, um die Schadorganismen unterhalb der ökonomischen Schadensschwelle zu halten. Sie ist eine präventive Methode, die sich in die industrielle Landwirtschaft integrieren lässt. Die Grundprinzipien umfassen:

  • Prävention: Maßnahmen zur Verhinderung des Auftretens oder der Ausbreitung von Schadorganismen (Hygiene, Verwendung resistenter Sorten, Fruchtwechsel).
  • Überwachung: Regelmäßige Beobachtung von Populationsdichte und Ausbreitung der Schadorganismen.
  • Ökonomische Schadensschwelle: Eingreifen nur, bevor die Schadorganismen ökonomischen Schaden verursachen.
  • Auswahl der risikoärmsten Methode: Vorrang für biologische und kulturelle Methoden, chemische Anwendungen nur als letzte Maßnahme und gezielt.
  • Resistenzmanagement: Diversität der Methoden, um die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern.

Aktuelle Konzepte und ökologische Perspektiven

In den letzten Jahren haben neue Ansätze die ökologische Nachhaltigkeit und Effektivität der ISB gestärkt.

  • Biodiversitätsbasierte Steuerung: Schutz nützlicher Organismen wie Prädatoren und Parasitoide, die Schadorganismen auf natürliche Weise kontrollieren.
  • Förderung von Ökosystemdienstleistungen: Nicht nur Schädlingskontrolle, sondern auch die Unterstützung kritischer Prozesse wie Bestäubung und Bodengesundheit.
  • Präzisionstechnologien: Drohnen, Sensoren, Bildgebungssysteme und KI ermöglichen die frühzeitige Erkennung von Schädlingen, sodass Interventionen nur in betroffenen Bereichen erfolgen.
  • Biopestizide und natürliche Agenzien: Pflanzenextrakte, Pheromone, nützliche Pilze und Bakterien zielen auf Schädlinge und reduzieren die Umweltbelastung.
  • Klimaanpassungsstrategien: Anpassung der Managementpläne an veränderte Temperatur-, Feuchtigkeits- und Niederschlagsbedingungen.

Die ökologische Perspektive der ISB basiert auf dem Prinzip der Erhaltung der natürlichen Balance von Agrarökosystemen.

  • Schutz natürlicher Feinde: Chemische Überinterventionen könnten nützliche Insekten zerstören und langfristig die Schädlingsproblematik verschärfen.
  • Erhaltung der Ökosystembalance: Durch Förderung der Pflanzenvielfalt und Habitatpflege wird die natürliche Kontrolle von Schädlingen unterstützt.
  • Bodengesundheit: Organisch reiche, biologisch aktive Böden stärken die natürliche Abwehrkraft der Pflanzen.
  • Reduzierte chemische Belastung: Verbesserung von Wasser-, Boden- und Luftqualität und Verringerung negativer Umwelteinflüsse.

Praxisbeispiele

Pheromonfallen

Pheromonfallen nutzen artenspezifische chemische Signale (Sexualpheromone), um das Paarungsverhalten von Insekten zu beeinflussen. Männliche Individuen werden angezogen und gefangen. Anwendungen:

  • Monitoring: Bestimmung von Populationsdichte und Befallszeitpunkten, chemische Eingriffe nur bei Bedarf.
  • Massentrapping: Reduzierung der Paarungspotenz und direkte Verringerung der Populationsgröße.

Beispiel: Bei der Bekämpfung der Mittelmeerfruchtfliege (Ceratitis capitata) steigern Trimedlure-Pheromonfallen in Zitrus- und Aprikosenplantagen die Erträge erheblich.

Fruchtfolge

Monokulturen begünstigen die Vermehrung bestimmter Schädlinge und Krankheitserreger. Fruchtwechsel unterbricht den Lebenszyklus der Schädlinge und reduziert den Populationsdruck. Beispiel: Ein Maisfeld wird im Folgejahr mit Hülsenfrüchten bepflanzt, wodurch die Population des Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera) stark reduziert wird.

Aussetzen natürlicher Feinde

In Gewächshäusern und auf offenen Feldern werden nützliche Insekten zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Beispiel: Encarsia formosa gegen Gewächshaus-Weiße Fliege (Trialeurodes vaporariorum) reduziert den chemischen Pflanzenschutz erheblich und wird vor allem in Bio-Anbau eingesetzt.

Biotechnische Methoden

  • Lichtfallen: Locken nachtaktive Schädlinge an und fangen sie.
  • Klebefallen: Fangen Schädlinge durch Haftung. Beispiel: Blaue Klebefallen für Thripse (Frankliniella occidentalis) zur Populationsüberwachung und Kontrolle.

Blattanalysen und Präzisionsbewässerung

  • Blattanalysen: Bestimmung des Nährstoffstatus der Pflanzen, Mangelbehebung stärkt die Abwehrkraft.
  • Präzisionsbewässerung: Kontrollierte Wassergabe, Vermeidung von Wurzelfäule. Beispiel: Sensorunterstützte Tröpfchenbewässerung spart Wasser und fördert gesundes Pflanzenwachstum.

Fazit und Zukunftsperspektive

Integrierte Schädlingsbekämpfung (ISB) ist nicht nur eine Anbaumethode, sondern ein Schlüsselinstrument für nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und -sicherheit.

  • Minimierung des chemischen Pestizideinsatzes.
  • Reduzierung von Risiken für Umwelt und Gesundheit.
  • Effizientere Steuerung von Pestizidtests und Abhängigkeit von Pestiziden.

Zukünftige Entwicklungen:

  • Präzisionslandwirtschaft, biotechnologische Innovationen, Weiterbildung der Landwirte.
  • Förderung der ökologischen Balance, Sicherung von verlässlicher und gesunder Nahrungsmittelversorgung.
  • Gleichzeitige Unterstützung von Produktivität, Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit.

Quellen

  • Türk, M., & Kılıç, M. (2020). Biologische Bekämpfung und integrierte Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft. Akademische Zeitschrift für Agrarwissenschaften, 6(1), 23-39. Link
  • Köse, M., & Yıldırım, A. (2015). Integrierte Schädlingsbekämpfung und ihre Anwendung in der Türkei. Türkische Entomologie Zeitschrift, 39(3), 275-292. Link
  • Kogan, M. (1998). Integrierte Schädlingsbekämpfung: Historische Perspektiven und aktuelle Entwicklungen. DOI
  • FAO (2017). Grundsätze der Integrierten Schädlingsbekämpfung (ISB). Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Link