Der ökologische Landbau zeichnet sich durch umweltfreundliche Produktionsmethoden und den eingeschränkten Einsatz synthetischer Chemikalien aus. Doch der Begriff „Bio“ bedeutet nicht automatisch eine völlige Abwesenheit von Rückständen. Faktoren wie Abdrift von Nachbarfeldern, Altlasten im Boden oder Kontaminationen in der Lieferkette können auch in biologisch erzeugten Produkten geringe Pestizidrückstände verursachen. Darüber hinaus können absichtliche Verstöße oder falsche Kennzeichnungen vorkommen.
Beispiele aus der Türkei und der Welt zeigen, dass auch Produkte mit Bio-Siegel Rückstände enthalten können. Diese Fälle machen deutlich, dass verschiedene Faktoren innerhalb der Produktionskette Einfluss haben und die Wirksamkeit der Kontrollmechanismen infrage stellen. Besonders Produkte, die ohne Zertifizierung als „Bio“ verkauft werden, bieten keinerlei Vertrauenswürdigkeit.
Pestizidrückstände in zertifizierten Bio-Produkten in der Türkei
Die Türkei zählt zu den Ländern, die aufgrund von Pestizidrückständen in Bio-Produkten regelmäßig im RASFF-System (Rapid Alert System for Food and Feed) der Europäischen Union gemeldet werden. Insbesondere bei getrocknetem Obst und Gemüse wurden auch in Bio-Produkten Rückstände festgestellt.
So wurde beispielsweise 2024 in türkischen Bio-Rosinen der Wirkstoff Chlorpyrifos nachgewiesen, was zu einer offiziellen RASFF-Meldung führte.
Pestizidrückstände in zertifizierten Bio-Produkten in Europa und den USA
Auch in Europa werden bei amtlichen Kontrollen gelegentlich Pestizidrückstände in Bio-Produkten festgestellt. Laut dem EFSA-Bericht (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) aus dem Jahr 2023 enthielten 1,6 % der untersuchten Bio-Produkte messbare Rückstände.
In den USA kam es zu ähnlichen Fällen. Im Jahr 2024 musste der Bio-Tee „Echinacea Immune Support“ der Marke Yogi wegen Pestizidrückständen rückgerufen werden – insgesamt rund 900.000 Teebeutel. Die FDA stufte den Vorfall als Class III Recall ein, also als Fall mit geringem Gesundheitsrisiko, der jedoch wegen Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften einen Rückruf erforderte.
Die Rolle der Bio-Zertifizierungssysteme
Bio-Zertifizierungssysteme sollen sicherstellen, dass in der Produktion keine oder nur minimale Pestizidmengen verwendet werden. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch von der Häufigkeit und Transparenz der Kontrollen ab.
In der Türkei werden Bio-Produkte durch vom Ministerium für Landwirtschaft und Forstwirtschaft autorisierte Kontroll- und Zertifizierungsstellen (KSK/YK) überwacht. Obwohl deren Effektivität und Reichweite gelegentlich hinterfragt werden, haben diese Systeme die Struktur und Glaubwürdigkeit des Marktes insgesamt deutlich verbessert.
Nicht jedes „Bio“-Produkt ist pestizidfrei
Im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln enthalten Bio-Produkte in der Regel deutlich geringere Mengen an Pestizidrückständen. Doch nicht jedes Produkt mit dem Label „Bio“ ist völlig pestizidfrei.
Verbraucher sollten daher auch bei Bio-Produkten auf eigene Informationsquellen und Analysen achten, um möglichst saubere Produkte auszuwählen. Zudem sollte man – unabhängig vom Etikett – stets auf korrekte Reinigungs- und Waschmethoden achten.
Trotz bestehender Lücken bietet das wachsende Bewusstsein für Zertifizierungsstandards in der Türkei den Verbrauchern eine wichtige Orientierungshilfe.
Empfehlungen für Verbraucher
- Überprüfen Sie den Zertifizierungscode auf der Verpackung und gleichen Sie ihn mit der Liste des Ministeriums ab.
- Achten Sie auf die Logos bekannter und akkreditierter Bio-Zertifizierungsstellen.
- Kaufen Sie nach Möglichkeit direkt bei vertrauenswürdigen lokalen Erzeugern – das ist ein wirksamer Weg, um Ihr Recht auf gesunde Lebensmittel aktiv wahrzunehmen und Pestizidbelastungen zu minimieren.
Quellenverzeichnis
- EFSA – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit: https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/9398
- Cuatrecasas – Aktueller EU-Bericht zu Pestizidrückständen: https://www.cuatrecasas.com/en/spain/life-sciences-healthcare/art/eu-report-pesticide-residues-in-food
- RASFF – Europäische Kommission – Meldung zum Nachweis von Chlorpyrifos in Bio-Rosinen: https://webgate.ec.europa.eu/rasff-window/screen/notification/691408, https://webgate.ec.europa.eu/rasff-window/screen/notification/724875
- Rückrufmeldung Yogi Bio Echinacea Immune Support Tee: https://www.foodandwine.com/organic-yogi-echinacea-tea-recall-8649844
- Feldanalysebericht zu Rückständen in türkischen Bio-Produkten: https://orgprints.org/id/eprint/25032/1/speiser-etal-2014-turkey-residueSurvey-report.pdf
- Osman Tiryaki – Pestizidrückstandsanalysen und Studien in der Türkei: https://dergipark.org.tr/tr/download/article-file/235971
- Beispiel einer lokalen wissenschaftlichen Studie (2025): https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0889157525009068